Resolution der internationalen Konferenz: „Der Einfluss der Kriegshandlungen in der Ukraine auf die Umwelt und die Menschenrechte – zivilisatorische Herausforderungen an die Menschheit“, 4. –6. Juli 2022

Die Konferenzteilnehmer appellieren an die Regierung und das Parlament der Ukraine sowie an internationale Organe und Organisationen.
07. September 2022UA DE EN ES FR IT RU

Згорілі дерева після артобстрілу чи бомбардування. Фото: Depositphotos Foto: Depositphotos Photo: Depositphotos Foto: Depositphotos Photo: Depositphotos Foto: Depositphotos Фото: Depositphotos

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Voraussetzung für eine zukünftige gesunde Generation von Ukrainern ist eine saubere, gesunde und nachhaltige Umwelt. Die Umwelt, ein schweigendes Opfer des Krieges, ist auf den Schutz und die Obhut der nationalen wie internationalen Gemeinschaft angewiesen, um diese Zukunft zu gewährleisten. Eine saubere, gesunde und nachhaltige Umwelt ist für die Versorgung mit sauberem Wasser und Lebensmitteln ebenso wie für die globale Versorgungssicherheit erforderlich. Dieses Menschenrecht steht allen Menschen zu.

Durch die Kriegshandlungen wurde der Umwelt massiver, langfristiger und schwerwiegender Schaden zugefügt. Allerdings ist es aufgrund der fortgesetzten aktiven Kampfhandlungen nicht möglich, die Auswirkungen auf die Umwelt in vollem Ausmaß festzustellen, zu beurteilen und Schlussfolgerungen daraus zu ziehen, so dass Strafverfahren wegen der Schädigung der Umwelt eingeleitet werden könnten.

Der nach dem Zweiten Weltkrieg eingeleitete erfolgreiche Marshall-Plan zeigt, dass die Vorbereitungen für einen Plan zum Wiederaufbau der Ukraine nach dem Krieg schon früher beginnen müssen. Dieser Plan sollte beim Aufbau auf Verbesserungen abzielen. Die energetische Infrastruktur ist durch alternative Energiequellen zu ergänzen. Bei der Wiederaufforstung ist sicherzustellen, dass die Wälder künftig vor nicht nachhaltigem Holzeinschlag geschützt sind. Beim Wohnungsbau ist ein hoher Standard der Energie-Effizienz einzuhalten. Die Zukunft der Ukraine muss so „grün“ sein wie nur irgend möglich.

Viele Länder haben bereits zugesagt, sich am Wiederaufbau der Ukraine zu beteiligen. Allerdings liegt die volle Verantwortung für den der Ukraine verursachten Schaden bei der Russischen Föderation (RF). Bisher hat sich die internationale Gemeinschaft zu Recht auf eine Erweiterung der Sanktionen konzentriert. Jetzt ist es an der Zeit, gezielte Regelwerke zu schaffen, um die RF zur Verantwortung zu ziehen.

Die Umstände der langandauernden Aggression Russlands, die das UN-Statut, das Römische Statut und viele andere multilateralen Übereingekommen und Konventionen verletzt, zwingen uns zu einer Neubewertung des internationalen Schutzes für Umwelt und globale Sicherheit, wie er derzeit besteht. Die Sanktionsmöglichkeiten gegen einen Staat, der das internationale Recht missachtet, sind unverzüglich zu diskutieren und neu einzuschätzen. Außerdem müsste ein geeignetes Procedere geschaffen werden, das Reparationen für Opfer-Staaten erleichtert. Das wird einen Abschreckungseffekt für Regierungschefs aller Staaten haben und dazu beitragen, die Menschenrechte und die Umwelt für künftige Generationen zu schützen.

Aufgrund dieser Feststellungen bitten die Teilnehmer der internationalen Konferenz die Regierung und das Parlament der Ukraine:

  1. Besonderes Augenmerk auf die Erhebung des Schadens, der der Umwelt der Ukraine durch die bewaffnete Aggression der RF zugefügt wurde, und die Sammlung von Beweisen zu legen;
  2. Das Römische Statut des Internationalen Strafgerichtshofs zu ratifizieren und eine Verbesserung des Römischen Statuts zu unterstützen, die Verbrechen des Ökozids einschließen soll. Dies soll die Praxis beenden, dass die schwersten Verbrechen gegen die Umwelt in Kriegs- und Friedenszeiten straflos bleiben;
  3. Eine Bestimmung zum Verbrechen des Ökozids in das Strafgesetzbuch der Ukraine aufzunehmen, die die Formulierung der Gruppe internationaler Experten von 2021 widerspiegelt. Das wird die Ahndung von Verbrechen gegen die Umwelt erleichtern;
  4. Die nationalen Gerichte und staatsanwaltlichen Organe aktiv zu nutzen, um Verbrechen der Militärs der RF gegen die Umwelt, einschließlich des Ökozids, einer Untersuchung und strafrechtlichen Verfolgung zu unterziehen;
  5. Sich an internationale Gerichte und Organe zu wenden, die die Einhaltung der Reparationen überwachen, um zu erreichen, dass die RF für die Vernichtung der Umwelt und Ökosysteme verantwortlich gemacht wird;
  6. Die Anwendung multilateraler Abkommen mit Beteiligung der Ukraine zu unterstützen mit dem Ziel, Russland für die Verletzung dieser multilateralen Abkommen zur Verantwortung zu ziehen und die Mechanismen zur Streitlösung und zur Kontrolle über die Einhaltung dieser Abkommen anzuwenden;
  7. Die Bestimmungen der EU-Gesetzgebung zum Schutz, zur Erhaltung und Bewahrung der Umwelt zu verabschieden und zu erfüllen, neue Naturschutzgebiete in der Ukraine zu schaffen, die auch verminte Territorien und Gebiete, die infolge von Kriegshandlungen verschmutzt sind, erfassen können;
  8. Das Monitoring und die Bewertung des Schadens fortzusetzen und zu aktivieren, der durch die Kampfhandlungen für die Umwelt bereits entstanden ist und noch entstehen wird. Die Fakten zum Schaden und alle diesbezüglichen Informationen sind von einem ökosystemischen Ansatz aus zu erfassen, wie er von der Internationalen Union zur Bewahrung der Natur gefordert wird, um zu bestimmen, inwieweit der Schaden negative Auswirkungen auf das Überleben und das Wohlergehen der Bevölkerung und die biophysische Umwelt hatte;
  9. Ein Monitoring und eine Schadensbewertung nach den modernsten wissenschaftlichen Methoden und Technologien durchzuführen, wie sie von folgenden Organisationen genutzt werden: Umweltprogramm der Vereinten Nationen, Europäische Umweltagentur, Sekretariate des Zwischenstaatlichen Ausschusses für Klimaänderungen und der Zwischenstaatlichen Plattform für Biodiversität und Ökosystem-Dienstleistungen (IPBES). Zusätzliche Unterstützung kann die Arbeit der zwischenstaatlichen Arbeitsgruppe für ökologischen Schaden in der Ukraine leisten, die aus 21 Regierungsinstitutionen der USA besteht, einschließlich der NASA;
  10. Bei der Planung eines ökologischen Wiederaufbaus Ergebnisprotokolle des Monitorings und Beurteilungen zu erstellen und der Kommission für Klagen und Kompensationen, die der Präsident der Ukraine angekündigt hat, vorzulegen;
  11. Die Prinzipien des Europäischen Green Deal beim Wiederaufbau der Ukraine nach dem Krieg einzuführen, wenn neue Gesetze verabschiedet und die künftige Politik sowie die Haushaltspläne entwickelt werden;
  12. Die Reformen im Bereich der Abfallwirtschaft, der Wasserwirtschaft, der Naturschutzgebiete (einschließlich des Smaragd-Netzwerks), der Forstwirtschaft und des Energiesektors entsprechend den EU-Richtlinien und des Green Deal fortzusetzen;
  13. Gesetze zur integrierten Umweltgenehmigung und Kontrolle der industriellen Umweltverschmutzung im Einklang mit der EU-Industrieemissionsrichtlinie zu verabschieden und umzusetzen;
  14. Eine Reform des staatlichen Umwelt-Monitorings in die Wege zu leiten, um die Verantwortlichkeit für eine Nichteinhaltung der Umweltvorschriften zu erhöhen und die notwendigen Maßnahmen durchzusetzen;
  15. Die Dekarbonisierung der ukrainischen Wirtschaft durch Förderung von Low-Carbon-Technologien voranzutreiben und Anreize für den Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft zu schaffen;
  16. Nach dem Ende der Kampfhandlungen Stress-Tests in den Atomkraftwerken durchzuführen, dafür zu sorgen, dass ihre Verletzlichkeit durch Angriffe reduziert wird, und sich für eine dringende Reform der IAEA einzusetzen;
  17. Finanzielle Anreize für Unternehmen und lokale Machtorgane zu schaffen, um ökologische Innovationen, saubere Technologien und kohlenstoffarme Lösungen zu fördern;
  18. Die Zivilgesellschaft weiterhin in den Entscheidungsprozess einzubeziehen und die Partnerschaft von Zivilgesellschaft und Regierung zu stärken, sowohl bei der Bewertung des durch die RF verursachten Schadens als auch bei der Planung und Durchführung von Wiederaufbau-Projekten der Ukraine;
  19. Die menschlichen und institutionellen Kapazitäten des Ministeriums für Umweltschutz und Naturressourcen der Ukraine als zentrales Machtorgan in der ukrainischen Regierung zu stärken;
  20. Den ökologischen Teil des Wiederaufbauplans der Ukraine, der in Lugano vorgestellt wurde, angesichts der Forderungen des Green Deal der EU und der geltenden internationalen Verpflichtungen der Ukraine zum Umweltschutz zu revidieren;
  21. Ein Monitoring über die Verschmutzungen der landwirtschaftlichen Nutzflächen durch Luftangriffe durchzuführen und danach über eine Begrenzung oder Beendigung der landwirtschaftlichen Nutzung dieser Gebiete zu entscheiden.

Angesichts dieser Darlegungen wenden sich die Teilnehmer der internationalen Konferenz an internationale Organe und Organisationen und bitten darum,

  1. Bei der Beurteilung und Beweiserhebung zum Schaden, der der Umwelt zugefügt wurde, Unterstützung zu leisten;
  2. Die nationalen Organe zu unterstützen, die für Strafverfahren im Zusammenhang mit der Aggression der RF ermitteln;
  3. Eine Methode für die Recherche nach Daten zu etablieren, die als Beweismittel bei Verfahren gegen Umweltverbrechen dienen können;
  4. Eine spezielle Kompensationskommission einzurichten, die Anträge zum ökologischen Schaden behandelt, der infolge der Kriegshandlungen entstanden ist;
  5. Die finanzielle Grundlage für die Wiederherstellung der Umwelt der Ukraine sicherzustellen, die durch Kriegshandlungen beschädigt oder vernichtet wurde;
  6. Finanzielle, technische und fachliche Unterstützung bei einem nachhaltigen Wiederaufbau der Ukraine zu leisten;
  7. Eine Anpassung der nationalen Gesetzgebung an die Gesetzgebung der EU und eine institutionelle Reform im Umweltsektor zu unterstützen.

Gebiet Lviv, Ukraine

6. Juli 2022

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