Stimmen Mariupols – ein Film der Charkiver Menschenrechtsgruppe

Die Helden unseres Films lebten ein gewöhnliches glückliches Leben. Die unbekümmerte Schülerin Marija Vdovytschenko träumte davon, auf ihrem Abschlussball zu tanzen, die Ärztin Anna Schevtschyk kümmerte sich um Neugeborene und Jevhen Sosnovskyi verwirklichte sich als talentierter Fotokünstler. Am 24. Februar 2022 verwandelten die Russen ihre geliebte Stadt in eine Hölle.
Denys Volokha, Andrii Didenko, Anna Zakharova29. Oktober 2024UA DE EN ES FR IT RU

Am frühen Morgen des 24. Februar 2022 wurde Mariupol vom Territorium der Russischen Föderation aus angegriffen. Zu den ersten Explosionen kam es am linken Ufer der Stadt.

Bis zum 1. März standen die östlichen Stadtteile unter Beschuss, die sich näher an der Grenze zur Russischen Föderation befanden. Bis zum 2. März 2022 hatten die russischen Truppen Mariupol vom Westen, Norden und Osten her umstellt und blockierten die Stadt auch im Süden mit Schiffen vom Asowschen Meer aus. Ab dem 2. März gab es kein Wasser, kein Strom, kein Gas, keine Heizung und keinen Mobilfunk mehr. Von diesem Zeitpunkt an war die Stadt einer Flut von Angriffen russischer Kanonen— und Raketenartillerie sowie der Luftwaffe ausgesetzt, die von russischen Truppen in allen Teilen der Stadt durchgeführt wurden.

© Євген Сосновський, місто Маріуполь © Photo illustrations by Yevhen Sosnovsky © Евгений Сосновский, город Мариуполь

© Jevhen Sosnovskyi, die Stadt Mariupol

Neben den Wohnhäusern mit Zivilbevölkerung zerstörten die russischen Truppen systematisch alle zum Überleben der Stadt kritischen Objekte der Infrastruktur — Lebensmittellager, Krankenhäuser, Rettungsdienstgebäude usw. Der starke und systematische Beschuss der Stadt machte eine Evakuierung der Menschen in Richtung Ukraine unmöglich. Viele Menschen, die auf eigenes Risiko die Stadt verließen, wurden beschossen.

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© Jevhen Sosnovskyi, die Stadt Mariupol

Manchmal verließen die Bewohner von Mariupol die Stadt zu Fuß in Richtung des von der ukrainischen Regierung kontrollierten Territoriums. Viele Menschen wurden gezwungen, sich in Richtung der sogenannten „Volksrepublik“ Donezk („DVR“) und der Russischen Föderation evakuieren zu lassen. Alle mussten eine Filtration durchlaufen, deren Zweck darin bestand, nur Ukrainer durchzulassen, die der Russischen Föderation loyal gegenüberstanden. Gleichzeitig wurden die Zugehörigkeit zum Staats— und Militärdienst überprüft sowie andere Aktivitäten zugunsten der Ukraine, der Inhalt von Mobiltelefonen und Tätowierungen am Körper.

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© Jevhen Sosnovskyi, die Stadt Mariupol

Die Bombardierungen von Wohnhäusern, Krankenhäusern, des Schauspielhauses, eines Schwimmbads und von Schulen, in die sich die Menschen vor dem Beschuss geflüchtet hatten, führte zum Tod einer großen Anzahl von Bewohnern Mariupols. Viele starben durch die Kugeln von Scharfschützen. Nach Informationen aus verschiedenen offiziellen Quellen beträgt die Zahl der zivilen Todesopfer in der Stadt 87.000.

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© Jevhen Sosnovskyi, die Stadt Mariupol

Wegen der Blockade wurden keine Lebensmittel, kein Wasser und keine Medikamente mehr in die Stadt geliefert. Die Bewohner Mariupols waren gezwungen, Regenwasser zu sammeln und Wasser aus den Heizungen abzulassen, um trinken zu können, sie kochten Essen auf der Straße auf dem Feuer und begruben die Getöteten direkt in ihren Höfen in Massengräbern.

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© Jevhen Sosnovskyi, die Stadt Mariupol

Seit Ende April und bis zum Abschluss der Belagerung führten die russischen Truppen vernichtende Angriffe auf das Gelände der Fabrik „Asovstal“ durch, in dem sich das Asov-Regiment, Marinesoldaten und Zivilisten befanden. Die Stadt wurde am 20. Mai 2022 vollständig okkupiert, nachdem sich alle in Gefangenschaft begeben hatten, die sich noch auf dem Fabrikgelände aufgehalten hatten.

„Wir müssen diesen Krieg gewinnen. Wir haben diese Möglichkeit, wenn die Ukrainer an ihre eigene Stärke auf ihrer eigenen Erde glauben, die dem Feind nicht kampflos überlassen werden darf.“

Bohdan Krotevych („Tavr“)


Die einzelnen Geschichten unserer Protagonisten kann man unter diesen Quellen nachlesen und -hören:

„Es war ein Mensch — und innerhalb einer Sekunde reißt es ihn auseinander“ — so eine Schülerin aus Mariupol, die die Hölle durchgemacht hat

Spritzen mit Wasser sterilisieren und bei jemandem im Rücken Granatsplitter entdecken. Wie es ist, als Arzt im Schutzbunker zu arbeiten

Am 24. Februar in Mariupol von der Schwangerschaft zu erfahren. Fortsetzung der Geschichte einer Ärztin im Schutzbunker

„Mama wollte Gift nehmen. Und dann brachte man ihr den Brief, dass wir am Leben sind“ Geschichte einer Ärztin aus Mariupol, Teil 2

„Haben die Tschetschenen euch die Köpfe abgeschnitten? Nein? Aber wir werden das tun….“

Übersetzung: Nicole Hoefs-Brinker

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