Schäden oder Zerstörungen historischer Denkmäler und religiöser Bauten (24. Februar bis 15. November 2022, Gebiet Charkiv)

Das Nationale Hryhorij-Skovoroda-Museum wurde zerstört, die Holocaust-Gedenkstätte, die älteste orthodoxe Kirche von Charkiv und eine Moschee wurden beschädigt.
Vladyslav Dolzhko14. Dezember 2022UA DE EN ES FR RU

Національний літературно-меморіальний музей Григорія Сковороди © Харківська обласна державна адміністрація Das nationale Hryhorij-Skovoroda-Literaturmuseum © Städtische Gebietsverwaltung Charkiv The Hryhoriy Skovoroda literary-memorial museum © Kharkiv Region Administration Museo Nacional Literario de Grygoriy Skovoroda © Administración Regional de Járkiv Musée national littéraire et mémoriel Hryhoriy Skovoroda © Administration d’État régionale de Kharkiv Национальный литературно-мемориальный музей Григория Сковороды © Харьковская областная государственная администрация

Das nationale Hryhorij-Skovoroda-Literaturmuseum © Städtische Gebietsverwaltung Charkiv

Die Charkiver Menschenrechtsgruppe dokumentiert internationale Verbrechen (Genozid, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen), die die russischen Besatzer in der Ukraine, insbesondere in der Stadt und im Gebiet Charkiv mutmaßlich begangen haben.

Nachfolgend präsentieren wir unsere Aufstellung über historische Denkmäler oder Bauten, die Zwecken der Religion oder der Kunst dienen und die vom 24. Februar bis zum 15. November im Gebiet Charkiv beschädigt oder zerstört wurden. Es handelt sich um Annäherungswerte, sie stützen sich auf unsere Recherchen und sind noch zu präzisieren.

Eine detaillierte Beschreibung der Ereignisse in der Zeit vom 24. Februar bis 15. November 2022 mit Quellenangaben findet sich in den täglichen Chroniken zu diesem Zeitraum. Diese Angaben werden laufend ergänzt. Wir bitten Augenzeugen, uns im hier verlinkten Formular Informationen zukommen zu lassen.

Beschädigung oder Zerstörung historischer Denkmäler

Im untersuchten Zeitraum wurden mindestens 33 Fälle dokumentiert, in denen historische Denkmäler im Gebiet Charkiv beschädigt oder zerstört wurden. In den meisten Fällen konnten wir bereits die gesetzlich vorgeschriebene eindeutige numerische Bezeichnung des betroffenen Objekts ermitteln.

Unter den genannten Fällen haben wir die Schädigung von Denkmälern nationaler sowie lokaler Bedeutung dokumentiert. In mindestens acht Fällen handelt es sich um Schädigungen oder Zerstörungen historischer Denkmäler. Mindestens weitere acht der dokumentierten Denkmäler sind Wohnhäuser, und in mindestens drei weiteren Fällen befinden sich dort kulturelle Einrichtungen.

Nach Auskunft des ukrainischen Verteidigungsministeriums und nach Materialien von Suspilne haben russische Besatzer das Holocaust-Denkmal bei Drobizkij Jar am Stadtrand von Charkiv durch Beschuss beschädigt.

Меморіальний комплекс “Дробицький Яр” © Суспільне Харків Gedenkstätte „Drobizkij Jar“ © Suspilne Charkiv The Drobitsky Yar Memorial Complex © Suspilne News Agency Memorial “Drobytskyi Yar” © Suspilne Járkiv Complexe commémoratif Drobitsky Yar © Suspіlne Kharkiv Мемориальный комплекс “Дробицкий Яр” © Суспільне Харків

Gedenkstätte „Drobizkij Jar“ © Suspilne Charkiv

Nach Auskunft von Maksym Strelnyk, der das Amt für Jugend, Sport und Image-Projekte im Stadtrat Isjum leitet, und Materialien von „Suspilne Kultura“ wurde in Isjum (Gebiet Charkiv) das Denkmal „Ataka“ durch einen Bombenangriff der russischen Armee zerstört. Es war 1988 zum Gedenken an sechs Soldaten errichtet worden, die im Zweiten Weltkrieg gefallen sind.

Beschädigungen oder Zerstörungen religiöser Bauten

Im untersuchten Zeitraum konnte unsere Organisation mindestens 51 Fälle dokumentieren, in denen religiöse Bauten beschädigt oder zerstört wurden.

Geographisch betrachtet, wurden in der Stadt Charkiv 19 und im Gebiet Charkiv 32 religiöse Bauten beschädigt. Im Gebiet Charkiv war der Charkiver Bezirk am schlimmsten betroffen. Hier wurden 13 religiöse Bauten vernichtet oder beschädigt, im Bezirk Isjum waren es zehn. Zudem haben wir vier Fälle im Bezirk Bohoduchivsk verzeichnet, im Bezirk Tschuhujiv drei und im Bezirk Kupjansk einen.

Alle im untersuchten Zeitraum dokumentierten Fälle sind chronologisch wie folgt zuzuordnen: Vom 24. Februar bis zum 31. Mai 2022 wurden im Gebiet Charkiv 42 religiöse Bauten beschädigt. Das sind 82% aller in dieser Gruppe festgestellten Fälle.

Wie die Ukrajinskaja Pravda berichtet, wurde in Charkiv die Mariä-Himmelfahrts-Kathedrale beschossen. Das ist das älteste orthodoxe Gotteshaus der Stadt, ein Architekturdenkmal von nationaler Bedeutung (der Grundstein wurde Mitte des 17. Jahrhunderts gelegt, und der heutige Bau entstand in den Jahren 1771—1777).

Свято-Успенський собор © eparchia.kharkov.ua Die Mariä-Himmelfahrts-Kathedrale © eparchia.kharkov.ua The Cathedral of the Assumption © eparchia.kharkov.ua Catedral de la Asunción © eparchia.kharkov.ua Cathédrale de la Sainte-Dormition © eparchia.kharkov.ua Свято-Успенский собор © eparchia.kharkov.ua

Die Mariä-Himmelfahrts-Kathedrale © eparchia.kharkov.ua

Nach Angaben der Staatsanwaltschaft des Gebiets Charkiv und von Suspilne beschossen die Besatzer am 20. Juli gegen 9.30 morgens vermutlich aus mehreren „Uragan“-Raketenwerfern den Kyjiver Bezirk in Charkiv. Ein Ehepaar mit einem dreijährigen Jungen kam ums Leben, die 15-jährige Schwester des Jungen wurde verletzt. Bei diesem Angriff wurde die Moschee in Charkiv teilweise zerstört.

Beschädigung oder Zerstörung von Bauten, die Zwecken der Kunst gewidmet sind

Im untersuchten Zeitraum wurden mindestens 26 Fälle verzeichnet, in denen Gebäude beschädigt oder zerstört wurden, die Zwecken der Kunst dienten. Im Detail ergibt sich folgendes Bild:

Im Gebiet Charkiv wurden mindestens sechs Museen beschädigt. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft des Gebiets Charkiv beschossen am 6. Mai 2022 gegen 23.30 russische Truppen das Dorf Skovorodinovka im Bezirk Bohoduchovsk. Das Nationale Hryhorij-Skovoroda-Literaturmuseum wurde dabei vollständig zerstört. Der 35-jährige Sohn des Museumsdirektors, der sich über Nacht zur Aufsicht dort aufhielt, wurde verletzt.

Національний літературно-меморіальний музей Григорія Сковороди © Державна служба України з надзвичайних ситуацій Das Nationale Hryhorij-Skovoroda-Literaturmuseum © Staatlicher Katastrophenschutz der Ukraine The Hryhoriy Skovoroda literary-memorial museum © Ukrainian emergency services department Museo Nacional Literario de Grygoriy Skovoroda ©Departamento Estatal de Situaciones de Emergencia de Ucrania Musée national littéraire et mémoriel Hryhoriy Skovoroda © Service national ukrainien des situations d’urgence Национальный литературно-мемориальный музей Григория Сковороды © Государственная служба Украины по чрезвычайным ситуациям

Das Nationale Hryhorij-Skovoroda-Literaturmuseum © Staatlicher Katastrophenschutz der Ukraine

Nach Berichten von Suspilne und Ukrinform wurden am 9. März durch eine Explosionswelle nach einem russischen Angriff die Fassaden und Fenster eines Architekturdenkmals von lokaler Bedeutung beschädigt. Es handelt sich um das Charkiver Museum von 1912, das im klassizistischen Stil mit Elementen aus Barock und Jugendstil erbaut wurde. Die Kollektion dieses Museums für bildende Kunst umfasst über 25.000 Exponate und ist eine der größten und wertvollsten Sammlungen in der Ukraine.

Außerdem konnten wir die Beschädigung von mindestens drei Theatern und zwei Kinos in Charkiv dokumentieren. Im untersuchten Zeitraum wurden außerdem mindestens zwei Bibliotheken, sechs Kulturpaläste, sechs Kulturhäuser und Philharmonien beschädigt.

Історико-археологічний музей-заповідник “Верхній Салтів” © Роман Кравченко Historisch-archäologisches Museum „Verchnij Saltiv“ © Roman Kravtschenko The Verkhniy Saltiv historical and archaeological museum © Roman Kravchenko Museo histórico-arqueológico “Verkhniy Saltiv” © Roman Kravchenko Musée-réserve historique et archéologique « Verkhnii Saltiv » © Roman Kravchenko Историко-археологический музей-заповедник “Верхний Салтов” © Роман Кравченко

Historisch-archäologisches Museum „Verchnij Saltiv“ © Roman Kravtschenko

Schlussfolgerungen

Die Analyse der gesammelten Daten gibt Anlass, die oben angeführten Taten als Kriegsverbrechen nach Art. 8, Abs. 2 (b) ix des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs zu bewerten, und zwar als „vorsätzliche Angriffe auf Gebäude, die dem Gottesdienst, der Erziehung, der Kunst, der Wissenschaft oder der Wohltätigkeit gewidmet sind, auf geschichtliche Denkmäler, Krankenhäuser und Sammelplätze für Kranke und Verwundete, sofern es nicht militärische Ziele sind“.

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