OSZE-Konferenz: Russland darf seiner Verantwortung für seine Verbrechen in der Ukraine nicht entgehen

Entführte und vermisste Zivilisten, ermordete Geistliche, geplünderte und zerstörte Kirchen — Juristen der Charkiver Menschenrechtsgruppe berichteten auf der Warschauer OSZE-Konferenz zur menschlichen Dimension von den zahlreichen Verletzungen des humanitären Völkerrechts durch die Besatzer.
Iryna Skatschko17. Oktober 2024UA DE FR IT RU

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Die Warschauer OSZE-Konferenz zur menschlichen Dimension, 2024

Am 4. Oktober fand eine Begleitveranstaltung statt, die die russische Politik des gewaltsamen Verschwindenlassens in der Ukraine zum Thema hatte. Daran teil nahmen die Direktorin des Zentrums für bürgerliche Freiheiten Oleksandra Romantsova, der juristische Analytist dieses Zentrums Valentyn Serdjuk, die Juristinnen der Charkiver Menschenrechtsgruppe (ChMG) Olesja Skobova und der Ukrainischen Helsinki-Union für Menschenrechte Olena Kurajeva, der Rechtsberater des Koordinationsstabs für den Umgang mit Kriegsgefangenen Oleh Guschtschin sowie die aus russischer Kriegsgefangenschaft freigekommene Militärsanitäterin Olena Turas.

Olesja Skobova stellte eine Untersuchung der globalen Initiative T4P (Tribunal für Putin) zum gewaltsamen Verschwindenlassen vor. Gleich als die russischen Streitkräfte in ukrainisches Territorium einmarschierten, führten sie Listen von Personen mit, die sie später entführten. Das zeugt davon, dass dies eine von der Russischen Föderation von langer Hand vorbereitete große Aktion war. T4P konnte 5.340 Opfer der Entführungen identifizieren. Es übermittelte eine Eingabe an den Internationalen Strafgerichtshof sowie eine Zusammenfassung an die UN-Arbeitsgruppe.

Mit seinen Truppen, der Besatzungsmacht und den mit ihr verbundenen Kampfverbänden in den „Volksrepubliken“ Donezk und Luhansk betreibt Russland eine koordinierte Politik mit dem Ziel, Widerstand und Proteste in den besetzten Gebieten zu unterdrücken. Dies geschieht durch die Terrorisierung der ukrainischen Zivilbevölkerung — durch eine Welle von Entführungen und anderer schwerwiegender Verletzungen des humanitären Völkerrechts, die sich gegen die Zivilbevölkerung richten“, heißt es in dem vorgestellten Dokument.

Zu den meisten Fällen gewaltsamen Verschwindenlassens kam es in den ersten Monaten der Total-Invasion. Übrigens wird diese Praxis in den zeitweilig besetzten Gebieten bis heute fortgesetzt. Gerade deshalb ist es äußerst wichtig, in den Fällen mutmaßlichen gewaltsamen Verschwindenlassens als Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorrangig zu ermitteln. Es geht darum, die einzelnen verdächtigen Personen in den höchsten Stellen der russischen politischen und militärischen Hierarchie zu identifizieren, die die meiste Verantwortung für diese Politik in der Ukraine tragen.

Am 7. Oktober berichtete der Jurist der ChMG Mykola Komarovskyj auf der Plenarsitzung von den Verbrechen, die Russland in Laufe des Krieges in der Ukraine gegen Kirchen begeht. Das sind zerstörte und beschädigte Gotteshäuser, ermordete und misshandelte Geistliche sowie die Verfolgung von Gläubigen, die nicht der Russisch-Orthodoxen Kirche angehören.

Виступ юриста ХПГ Миколи Комаровського Выступление юриста ХПГ Николая Комаровского

Auftritt des ChMG-Juristen Mykola Komarovskyj

Am selben Tag fand eine weitere Begleitveranstaltung statt: „Religionsfreiheit unter Attacke: Russlands Vorgehen in der besetzten Ukraine“. Teilnehmer waren Oleksandra Romantsova, Mykola Komarovskyj, Valentyn Serdjuk, der Direktor der Mission Eurasia Religious Freedom Initiativ Mychajlo Bryzyn sowie online Dmytro Bodjo, ein Geistlicher, der in russischer Haft gesessen hatte. Sie diskutierten wie die russischen Machthaber religiöse Verfolgung als Instrument nutzen, um die ukrainische Identität und Souveränität zu untergraben, sowie die genozidalen Absichten, die hinter diesen Verbrechen stehen.

Den Daten von T4P zufolge wurden mit Stand vom 1. Oktober 2024 396 widerrechtliche Handlungen verzeichnet, die gegen religiöse Objekte gerichtet waren, vor allem in den Gebieten Donezk, Luhansk und Cherson. Allerdings liegen die tatsächlichen Zahlen weit höher, denn von einigen der Verbrechen, die auf den besetzten Gebieten begangen werden, wird man erst nach Beendigung des Krieges erfahren.

„Wir rufen dazu auf, alle Straftaten, die auf dem Gebiet der Ukraine gegen Kirchen begangen werden, öffentlich zu verurteilen und umgehend zu untersuchen. Außerdem müssen alle Personen zur Verantwortung gezogen werden, die an der Organisation und Umsetzung dieser Politik beteiligt sind“, so Mykola Komarovskyj.

Die OSZE-Konferenz zur menschlichen Dimension fand vom 30. September bis zum 11. Oktober in Warschau statt. Es ist eine der größten Menschenrechtsveranstaltungen in Europa. Daran nehmen Vertreter offizieller Staatsorgane sowie aus der Zivilgesellschaft der EU und von Partnerstaaten teil.

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