Nach wie vor tötet Russland Zivilisten
Angriffe auf das Gebiet Charkiv
Am 9. Januar hat die russische Armee erneut das Gebiet Charkiv beschossen. Dadurch kamen in der Siedlung Schewtschenkowe mindestens zwei Frauen ums Leben.
Nach vorläufigen Informationen wurde der städtische Markt von S-300-Raketen angegriffen. Die Russische Föderation setzt die S-300-Raketen häufig nicht zu ihrem eigentlichen Zweck, sondern gegen Ziele am Boden ein.
Nach Auskunft von Oleg Synehubov, dem Leiter der Militäradministration des Gebiets Charkiv, wurden nach bisherigen Kenntnissen mindestens sechs Personen verletzt. Sie alle erhalten die erforderliche ärztliche Hilfe. Ein Kind ist durch Splitter am Hals verletzt worden und muss operiert werden. “Die Ärzte kämpfen jetzt um sein Leben”, so Synehubov in seinem Telegram-Kanal.
Wie Journalisten mitteilten, besaß eine der Getöteten auf dem Markt, den die Russen am 9. Januar angriffen, eine Metzgerei. Die Verkäuferin Nina Horoschko berichtete “Suspilne Charkiv”, dass die Leiche des Opfers aus den Trümmern geborgen wurde.
“Sie war ein sehr guter Mensch, sehr hilfsbereit. Ich kann mir das Leben ohne sie nicht vorstellen”, erinnert sich Nina Horoschko und setzt hinzu, dass bei dem Angriff auch die Enkelin der Frau, Sofijka, verletzt wurde.
“Sofijka ist 11 Jahre, sie ist die Enkelin der Eigentümerin. Wir verkaufen Fleisch, wir hatten gerade erst ein geschlachtetes Tier erhalten. Wir besorgen uns montags immer das Fleisch für Dienstag. Ich begriff gar nicht, was los war: Im Kopf war Lärm, Arme und Beine zitterten, die Finger taten weh. Kunden waren keine da. Alles passierte innerhalb eines Augenblicks. Hier gab es nur den Markt, nichts sonst”, erzählt Nina Horoschko.
Die von der russischen Armee getötete Inhaberin des Geschäfts war 60 Jahre alt.
Das genaue Alter des verletzten Kindes ist nicht bekannt. Wie aus Kommentaren von Amtspersonen und Zeugen hervorgeht, muss es zwischen zehn und dreizehn Jahren liegen. Zunächst schrieb der Pressesprecher der Militäradministration Charkiv von einem 13-jährigen Kind. Später bestätigte der Sprecher der Gebietsstaatsanwaltschaft Charkiv, Dmytro Tschubenko, den Tod von Zivilisten und teilte mit, dass durch den feindlichen Beschuss “zwei Frauen ums Leben kamen und sechs Zivilisten verletzt wurden, darunter vier Frauen, ein 23-jähriger Mann und ein zehnjähriges Mädchen”.
Das Kind erhielt “Splitterverletzungen am Hals, in der Nähe der Schlagader, deshalb wurde es nach Charkiv gebracht. Dort wird ein operativer Eingriff vorgenommen”, berichtete die Leiterin des Krankenhauses in Schewtschenkowe, Svitlana Perepadja.
Außerdem kam eine 50-jährige Frau ums Leben. Dies berichtete Vitalij Kryzkyj, der Pressedienstleiter der Militäradministration Charkiv.
“Zwei Frauen im Alter von 60 und 50 Jahren wurden getötet. Eine besaß eine Metzgerei. Die andere hatte sich einfach auf dem Markt aufgehalten, sie wollte einkaufen”, so Kryzkyj.
Der Leiter der Militäradministration ist sich sicher, dass der Feind “gezielt ein ziviles Objekt, den örtlichen Markt, angegriffen hat”, schließlich gibt es “keine Militärobjekte in Schewtschenkowe”. Nach Meinung von Synehubov hat es nur deshalb nicht mehr Opfer gegeben, weil sich am Wochenanfang weniger Menschen als sonst auf dem Markt befanden.
Schewtschenkowe liegt etwa 30 Kilometer von der russischen Grenze entfernt. Es war russisch besetzt und wurde von den ukrainischen Streitkräften im September 2022 befreit.
Bombardierung von Otschakiv
Am 9. Januar nahm die russische Armee die Stadt Otschakiv unter Beschuss.
“Beschuss von Otschakiv: fünf Notrufe bei 103, das Krankenhaus ist getroffen, viele Fenster und Türen sind kaputt. Tote gibt es nicht”, meldete Vitalij Kim, Leiter der Militäradministration von Mykolajiv, auf seinem Telegram-Kanal und fügte hinzu, dass nach dem russischen Beschuss immer noch Verletzte ins Krankenhaus eingeliefert werden.
Wie die Leiterin des Gebietsrats Mykolajiv Hanna Samaseeva berichtet, wurden im Krankenhaus von Otschakiv 180 Fenster und 22 Türen beschädigt. Wohnhäuser und Verwaltungsgebäude waren ebenfalls betroffen. Über 100 Häuser hätten keine Fenster und Dächer mehr, und das bei Minus-Temperaturen. “Das ist reiner Terror, den die Einwohner von Otschakiv den Okkupanten nie verzeihen werden”, sagt Samaseeva.
Nach vorläufigen Informationen wurden bei dem feindlichen Angriff in Otschakiv mindestens zehn Personen verletzt.
Um 17.39 schrieb Hanna Samaseeva, die Leiterin der Militäradministration Mykolajiv, in ihrem Telegram-Kanal, dass durch den russischen Beschuss zehn Personen verletzt wurden, darunter ein zweijähriges Kind.
Später teilte Vitalij Kim mit, dass die Zahl der Opfer auf 15 gestiegen sei.
Bereits am 10. Januar berichtete der Journalist von “Babel”, Vsevolod Sevastjanov, von umfangreichen Schäden:
“Im Haus meiner Eltern sind die Fenster herausgeflogen, bei der Großmutter ist das Dach beschädigt. Zur Nacht haben sie die Fenster mit Laken abgedeckt, um bei Frosttemperaturen wenigstens etwas Wärme zu bewahren. 80% der Stadt und mehr als 300 Häuser haben keine Fenster mehr. Die Metalltüren sind so verformt, dass viele Menschen in ihren eigenen Häusern einfach blockiert waren. Meine Schule und der Kindergarten sind ohne Fenster. Das vorhandene Baumaterial reicht leider nicht aus. Es gibt sehr viele Schäden, und alle brauchen Unterstützung”, so der Journalist auf seiner Facebook-Seite.
Die Situation im Gebiet Cherson
Laut Auskunft der Staatsanwaltschaft im Gebiet Cherson wurde bei einer russischen Attacke ein Mann getötet.
“Am 9. Januar gegen 12.55 nahmen die Okkupanten erneut Cherson unter Beschuss. Eine feindliche Rakete schlug in der Nähe eines Supermarkts ein, als gerade ein Mann vorbeiging. Durch die Explosion wurde er sofort getötet. Außerdem wurde eine Frau verletzt. Nach vorläufigen Erkenntnissen hat der Feind mit Mörsern angegriffen”, teilten die Sicherheitsorgane bei Facebook mit.
Der Leiter der Militäradministration von Cherson, Jaroslav Januschevytsch, berichtete, dass die Frau durch russische Granatsplitter verletzt wurde. “Zurzeit kämpfen die Ärzte um ihr Leben”, so Januschevytsch auf seinem Telegram-Kanal.
Am Abend des 9. Januar beschoss die russische Armee Cherson erneut. Nach Auskunft des Leiters der Militäradministration Cherson fiel die feindliche Rakete “direkt auf eine Kreuzung in einem Wohnviertel”. In einem privaten Wohnhaus brach ein Feuer aus. Eine Person kam ums Leben. Die endgültigen Folgen des Angriffs werden noch eruiert.
Darüber hinaus kommt es in den besetzten Gebieten weiterhin dazu, dass Personen “verschwinden”. Nach Auskunft der Polizei des Gebiets Cherson, ist “haben russische Militärs in einem Dorf der Gemeinde Oleschky eine 60-jähirge Frau und ihren 32-jährigen Neffen” verschleppt und zwei Autos der Familie geraubt. Zurzeit ist der Aufenthaltsort der entführten Personen nicht bekannt.
Die Sicherheitsorgane teilten mit, dass im zeitweilig besetzten Ort Ivanivka mindestens zehn russische Militärangehörige die Häusern Einheimischer bezogen hätten, die in die ukrainisch kontrollierten Gebiete geflohen waren.
Außerdem berichtete die Polizei im Gebiet Cherson am 9. Januar 2023 vom Tod eines Zivilisten infolge des vorangegangenen russischen Angriffs:
“Im Krankenhaus verstarb ein 72-jähriger Einwohner der Stadt Beryslav, der beim Beschuss der Stadt durch die russische Armee in der Nacht des 5. Januar schwer verletzt worden war”, so die Sicherheitskräfte auf ihrer Facebook-Seite. Sie fügten hinzu, dass es nach wie vor bei der Zivilbevölkerung zu Verletzungen durch Minen kommt.
So wurde ein Bewohner der Gemeinde von Velyka Oleksandrivka, Bezirk Beryslav, durch eine Mine verletzt. Die Polizei berichtete, dass der 52-jährige Mann mit dem Fahrrad auf einem Feldweg in Richtung Sadok unterwegs war und auf einen Sprengsatz gefahren ist. Vermutlich ist er an eine Personenmine geraten. “Durch die Explosion zog er sich zahlreiche Schrapnellwunden an den Gliedmaßen und am Hals zu. Zurzeit besteht keine Lebensgefahr”.
In der Nähe von Bobrovyj Kut im Bezirk Beryslav kam ein weiterer Mann im Alter von 49 Jahren ebenfalls durch eine Mine zu Schaden und erlitt zahlreiche Splitterverletzungen an den Beinen. “Nach seiner Aussage ging er die ehemaligen Positionen der russischen Streitkräfte entlang und verfing sich in einer Sprengfalle. So kam es zu einer Explosion”, so die Sicherheitsmitarbeiter. Zurzeit befindet er sich im Krankenhaus.
Die Polizei rief die Bürger zum wiederholten Mal dazu auf, Wälder und Flussufer zu meiden, keine Feldwege zu benutzen und vor allem auf Schilder und Zeichen zu achten, die vor Minen warnen. Besonders vorsichtig müsse man dort sein, “wo Kämpfe stattgefunden und sich die feindlichen Streitkräfte aufgehalten haben, bis das Territorium durch Sprengstoffexperten kontrolliert wurde”, betonten die Sicherheitsorgane.
Der nationale Katastrophenschutz der Ukraine hat eine interaktive Karte der durch Minen kontaminierten Gebiete erstellt, mit einer illustrierten Liste der häufigsten Sprengsätze und mit genauen Instruktionen, was zu tun bzw. unbedingt zu unterlassen ist, wenn man auf einen verdächtigen Gegenstand stößt.
Zur Situation im Gebiet Luhansk
Der Leiter der Militäradministration Hajdaj teilte mit, dass die Kämpfe um das Dorf Novoselivske weitergehen und dass der Ort vollständig zerstört und verlassen ist:
“Die letzte Einwohnerin im Ort wurde vor einigen Tagen von einem russischen Scharfschützen getötet”, schrieb Hajdaj in seinem Telegram-Kanal.
Außerdem bemerkte er, dass die Russen den Ort Nevske heftig angreifen: “In Nevske gibt es kein einziges unversehrtes Gebäude mehr, aber bis jetzt halten sich dort noch mehrere hundert Zivilisten auf. Heute Nachmittag sind zwei Zivilisten ums Leben gekommen, zwei weitere wurden durch feindlichen Beschuss verletzt.”
Zur Situation im Gebiet Donezk
Pavel Kyrylenko, der Leiter der Donezker Militäradministration, teilte mit, dass ein Industrieobjekt in Kostjantynivka von der russischen Armee angegriffen wurde. Außerdem wurde Kurachivka massiv beschossen: Mindestens zwei Zivilisten wurden verletzt und über 20 Häuser beschädigt.
Kyrylenko ist überzeugt, dass die Russen vorsätzlich die Zivilbevölkerung töten und das industrielle Potential des Gebiets vernichten. “Darin besteht ja gerade ihre wirkliche Absicht, alle und alles in unserem Land zu vernichten. Aber wir werden standhalten und alles wiederaufbauen, besser als vorher!”, so Kyrylenko in seinem Telegram-Kanal.
Um 22.58 berichtete der Leiter des Präsidialbüros Kyrylo Tymoschenko von einem Raketenangriff auf Kramatorsk. “Die Besatzer trafen die Straße und ein Auto mit Personen”, schreibt er in seinem Telegram-Kanal. Nach vorläufigen Informationen sind zwei Personen, die sich im Auto befanden, ums Leben gekommen.
Der Leiter der Militäradministration des Gebiets Donezk bestätigte den Tod von Personen und stellte fest, dass nach dem abendlichen Angriff auf Kramatorsk mindestens 13 Personen verletzt wurden. “Durch die Bombardierungen wurden mindestens 20 Häuser beschädigt, in einem Wohngebiet kam es zu einem Brand. Sicherheits- und Rettungskräfte sind dort im Einsatz”, schrieb Pavlo Kyrylenko auf seiner Facebook-Seite. Die endgültigen Folgen der Angriffe werden noch eruiert.
Am 9. Januar führten russische Soldaten 94 Angriffe gegen Gemeinden im Gebiet Sumy durch. Glücklicherweise gab es keine Opfer. Allerdings waren am 9. Januar um 21.00 Uhr infolge der russischen Angriffe 154 Haushalte der Gemeinde Bilopillja ohne Strom.
Der vorige Tag (8. Januar)
Nach Angaben der Militäradministrationen der Gebiete hat die russische Armee am 8. Januar sowie in der Nacht zum 9. Januar Ortschaften in neun Gebieten der Ukraine beschossen, und zwar in den Gebieten Tschernihiv, Sumy, Zaporizhzhia, Dnipropetrovsk, Charkiv, Luhansk, Donezk, Mykolajiv und Cherson. Allein gegen das Gebiet Sumy wurden am 8. Januar 144 Angriffe ausgeführt. Am 9. Januar 2023 meldete das Pressezentrum der Polizei des Gebiets Zaporizhzhia, dass die russische Armee in den letzten beiden Tagen das Gebiet mit Artillerie und Mehrfachraketenwerfern beschossen hat, unter anderem mit Streumunition, und Kamikaze-Drohnen eingesetzt hat. Im Gebiet Zaporizhzhia wurden zwei Sicherheitsbeamte verletzt und ins Krankenhaus gebracht.
Darüber hinaus hat der Terror-Staat die Stadt Cherson mit Brandmunition angegriffen.