Wir haben durchaus Trümpfe

Der so genannte Friedensplan aus 28 Punkten hat alle möglichen Grenzen des politischen Zynismus hinter sich gelassen. Wir brauchen die konkreten Beweise dafür nicht zu wiederholen, da die Weltpresse schon seit Tagen darüber spricht.

Allerdings gibt es in der Rhetorik des US-Präsidenten ein Moment, das nicht nur vom ukrainischen Präsidenten eine Antwort erfordert, sondern auch von der ukrainischen Gesellschaft. Es geht um den achtlos an die Ukrainer gerichteten Satz: “Ihr habt keinerlei Trümpfe in der Hand”. Donald Trumps derzeitiges Team hat diese Worte offensichtlich leichtfertig in den Mund genommen.

Sie irren sich, Herr Präsident. Wir haben Trümpfe, und unser größter Trumpf ist unsere nationale und persönliche Würde. Sie ist nicht nach dem Ausmaß unseres Territoriums und nicht nach der Anzahl der Atomsprengköpfe zu bemessen. Ihre Grundlage ist der menschliche Geist, den unsere Vorstellungen von Freiheit, Wahrheit und Ehre bilden. Für uns ist es schwer fassbar, dass wir den Präsidenten der Vereinigten Staaten daran erinnern müssen — eines Landes, das sich durch seine Freiheitsliebe und seine Bindung an demokratische Werte auszeichnet. Wenn dies dennoch notwendig ist, dann haben Sie ein anderes Kartenspiel in der Hand.

Ein weiterer Trumpf ist unsere Freiheit von Angst. Wir haben sie im anhaltenden Kampf um die Unabhängigkeit überwunden. Und überwinden sie jeden Tag, wenn wir uns an den grässlichen Klang der Drohnen über den Schützengräben oder den heulenden Luftalarm in unseren Städten gewöhnen, den Schmerz der Opfer lindern und unsere weinenden Kinder trösten. Und wir sind nicht einmal bereit, uns der atomaren Bedrohung zu unterwerfen, da wir uns einer alten Wahrheit bewusst sind: Es kommt nicht darauf an, wie lange man lebt, sondern darauf, wie.

Daher wollen wir grundsätzlich keine Ultimaten akzeptieren, weder von Seiten des russischen noch des amerikanischen Präsidenten. Ultimaten von Ländern, die sich für stärker halten, gegenüber Ländern, die sie als schwächer ansehen, sind ein politisches Plusquamperfekt, unwürdig des 21. Jahrhunderts. Wir hoffen, dass Präsident Volodymyr Selenskyj und sein Team unsere Überzeugung teilt, dass es einen prinzipiellen Unterschied gibt zwischen einem Kompromiss und einer Unterwerfung.

Schließlich ist unser dritter Trumpf die Solidarität der einfachen Amerikaner, die wir ständig erfahren und die wir auf ihren Plakaten bei ihren Demonstrationen sehen. Diese Solidarität rettet heute die Ehre des amerikanischen Volks. Unser Präsident hatte formal Recht, als er sagte, dass die Ukraine heute vor der Wahl steht, ihre Würde aufzugeben oder Gefahr zu laufen, ihren wichtigsten Partner zu verlieren. Allerdings gilt es Letzteres zu präzisieren … es geht um das Risiko, die Unterstützung der derzeitigen US-Administration einzubüßen. Denn das amerikanische Volk war und bleibt unser Partner, für seine Unterstützung waren wir schon zu Dissidentenzeiten dankbar, und wir sind auch dankbar für die Hilfe, die wir bis vor kurzem erhalten haben.

Wir sind nicht die einzigen, die heute empfinden, dass sich die Welt heute auf einen neuen Moment X zubewegt, in dem die Völker von Neuem eine prinzipielle Wahl zwischen Gut und Böse treffen müssen. Deshalb wiederholen wir heute voll des Glauben und der Hoffnung: God bless America! Ruhm der Ukraine und ihren Helden! Gott segne diese verstörte und desorientierte Welt!

24. November 2025

Mitglieder der Initiativgruppe „Erster Dezember“: Olga Ajvasovska, Oleksandra Hnatjuk, Volodymyr Jermolenko, Jevhen Sacharov, Josif Sisels, Myroslav Marynovytsch, Olksandra Matviichuk, Jaroslav Jazkiv